Literarischer Goldstaub: „Streifzüge durch das Rügenland“
Die Reisebriefe von Johann Jacob Grümbke entführen uns auf eine faszinierende Zeitreise auf die Insel Rügen um 1805.
Die Reisebriefe von Johann Jacob Grümbke entführen uns auf eine faszinierende Zeitreise auf die Insel Rügen um 1805.
Reisen bildet. Es bereichert den Geist und öffnet den Blick. Heute, da es für Alles und Jeden eine App, eine Map, ein Navi und eine Gebrauchsanleitung zu geben scheint, können wir uns kaum noch vorstellen, wie es früher einmal war. Wie die Menschen lebten und arbeiteten, welche Bräuche sie pflegten oder mit welchen Augen sie die Natur rings um sich betrachteten.
Mit seinen 1805 veröffentlichten „Streifzügen durch das Rügenland“ hat der Rüganer Heimatforscher und Hausgelehrte Johann Jacob Grümbke der Nachwelt eine literarische und kulturgeschichtliche Fundgrube von unschätzbarem Wert hinterlassen.
Um das zuletzt 1988 im VEB F.A. Brockhaus Verlag Leipzig der ehemaligen DDR erschienene Buch heute noch zu bekommen, muss man in den einschlägigen Antiquariaten oder Verkaufsplattformen im Internet schon etwas tiefer in die Tasche greifen. Aber es lohnt sich definitiv. Die 2016 aufgelegte Hörbuch-Version mag zwar für Einige auch recht praktisch sein, vermag aber nach unserem Geschmack nicht ganz so zu fesseln wie das gedruckte Werk.
Das geschriebene Wort der „Streifzüge durch das Rügenland“ entfaltet allein schon durch die Haptik eines antiquarischen Buches und den altertümlichen Sprachstil einen ganz besonderen Zauber. Hinzu kommen höchst eindrückliche Aquarelle und Federzeichnungen aus Grümbkes Hand, welche in einer bloßen Audiodatei natürlich verloren gehen.
Faszinierend schon Grümbkes Vorrede zu seinen in einzelnen Briefen verfassten Kapiteln:
„… Beinahe jeder Reisende hat aber seine eigene Weise, die Dinge anzuschauen, seinen eigenen Maßstab, wonach er sie mißt. Sein Urteil hängt nicht selten von manchen Zufälligkeiten ab und wird bestochen von der augenblicklichen Stimmung, die ihn beherrscht, von der Gesellschaft, die ihn begleitet, von der Aufnahme, die er findet, von der Witterung endlich, die ihn anlächelt oder anfeindet. Dazu kommt, daß mancher, von Ununterrichteten schlecht belehrt, nur oberflächliche, halbwahre Nachrichten von einem Land einsammelt, die er so dürftig wiedergibt, wie er sie empfing, woraus denn eine große Verschiedenheit in den Schilderungen, Bemerkungen und Angaben entsteht. …“
Das Reisen damals war natürlich ein anderes als heute. Kein Auto, keine Bahn, kein Bus, sondern hübsch zu Fuß, zu Pferd oder mit dem Boot. Und wenn man bedenkt, dass wir es heute unterwegs mitunter fast schon wie selbstverständlich erwarten, dass uns die gebratenen Tauben förmlich in den Mund fliegen, würde unser „schneller, höher, weiter, billiger …“ für Grümbke sicher ein Graus gewesen sein.
Grümbke schreibt als „Indigena“ – der Einheimische – und schildert neben der Landschaft auch eindrücklich seine Begegnungen mit einfachen Fischern und Bauern, Pfarrern, Gutsbesitzern, Künstlern. Selbst beim Altenkirchener Pfarrer Ludwig Gotthard Kosegarten, der durch seine Predigten in der Uferkapelle von Vitt sicher vielen Lesern bekannt sein dürfte, kommt Grümbke eine Zeitlang unter.
„Vor allem groß zeigte sich hier das baltische Meer, das die Farbe des grauen Himmels angenommen hatte und die Hälfte des Gesichtskreises gegen Norden umspannte, seitwärts zur Rechten Jasmunds überwaldete Uferhöhen, links das Hiddenseer Hochland und in der Ferne die Insel Möen, … dann die Ansicht landeinwärts über Wittow nach Rügen hin – welch ein weiter Schauplatz.“, schwärmt Grümbke über das Kap Arkona.
„… und in der Ferne gewährt sie dem Auge ziemlich von allen Seiten einen vorteilhaften, oft romantischen Anblick. … Sobald man aber den Ort selbst erreicht, wie sehr findet man sich getäuscht … Holprige, abschüssige Wege, schiefe, schlecht gedämmte, zum Teil ungepflasterte Straßen und Durchgänge, … „, beklagt Grümbke sich an anderer Stelle über seine Geburtsstadt Bergen.
Und wahrhaft poetisch klingen doch folgende Zeilen:
„… Diese Donnerstimme, diese immerwährende Wiederkehr des gegen die Küste zerschellenden Wellenschlages, dieser unendlich oft und fruchtlos erneuerte Angriff auf dieselbe, dies ist es, was man Brandung nennt. Es scheint, als ob das Meer da seine letzte Kraft zusammenrafft, wo es den größten und sichersten Widerstand findet, und das Flutengetümmel ist am Ufer gewöhnlich weit heftiger noch als auf der See selbst …
Zugleich gewährt dieser Kampf einer ungeheuren Masse mit sich selber, dies ewige Ebben und Fluten, dies unaufhörliche Ringen nach Ruhe und Gleichgewicht eine der lebendigsten Darstellungen des höchsten Lebens der unorganischen Natur, gegen deren ewige Gesetze, welche hier die Wut der Elemente zügeln, die Seele mit Erstaunen und Bewunderung erfüllt wird. …“
In der >>> digitalen Bibliothek des Landes Mecklenburg-Vorpommern <<< sind die „Streifzüge durch das Rügenland“ von J.J. Grümbke übrigens im Original nachzulesen.
Dankeschön an unsere Leserin Margret O. für den Tipp!
Johann Jacob Grümbke wurde 1771 als Sohn des Arztes und Landphysikus Christian Stanislaus Grümbke (1740–1773) geboren. Er verlor jedoch schon als Einjähriger seine Eltern und wuchs fortan bei den Großeltern in Greifswald auf.
Nach dem Schulabschluss besuchte Grümbke ab 1783 das Sundische Gymnasium in Stralsund, wo er eine enge Freundschaft mit Ernst Moritz Arndt entwickelte. Von 1790 bis 1795 studierte Grümbke Rechtswissenschaft in Göttingen, Erlangen und Greifswald. Rechtes Gefallen konnte er aber weder an Studium noch Professoren finden.
„Väter, wollt ihr daher eure Söhne zu geschickten Leuten bilden, oh, so rat ich, schickt sie nicht auf Universitäten und bestimmt ihr sie dem Staate durch Gelehrsamkeit zu nützen, oh, so höret meine Bitte: laßt sie nicht Professor werden.“
Nach dem Studium ließ sich Grümbke wieder in Bergen nieder und widmete sich ganz der Heimatforschung. In Patzig nahm er zwar 1800 eine Anstellung als Hauslehrer an, diese beendete er jedoch schon 1804 und übte danach keinen Beruf mehr aus – die Erbschaft von Eltern und Großeltern reichte ihm aus, wohl auch, weil er unverheiratet blieb. Seine letzten drei Lebensjahrzehnte wohnte er am Markt von Bergen bei der Apothekerfamilie Biel, deren Fachwerkhaus, zwischen Post und Ratskeller, erst 1966 dem Neubau der heutigen Rugard-Apotheke weichen musste.
Johann Jacob Grümbke starb 1849 in seiner Heimatstadt Bergen, sein Grab befindet sich dort auf dem Alten Friedhof an der Billrothstraße.
Wenn die kurzen Auszüge und unsere Bilder Sie, liebe Leser, in ihren Bann gezogen haben, dann freut uns das sehr. Die „Streifzüge durch das Rügenland“ sind es definitiv wert, gelesen zu werden. Und wer weiß, vielleicht entdecken Sie ja für sich sogar die eine oder andere Anregung, der Sie beim nächsten Urlaub auf der Insel Rügen nachgehen wollen. Rügen hat auf jeden Fall mehr zu bieten als „nur“ wunderschöne Strände. Allen kulturgeschichtlich Interessierten sei an dieser Stellen auch unser Artikel über die Historischen Handwerkerstuben und den Museumshof Gingst empfohlen, den Sie >>> hier <<< nachlesen können.
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